Mein erster Post zu meiner Krebserkrankung hat viele Reaktionen ausgelöst. Hier an dieser Stelle - ich danke von Herzen für jede einzelne! Ich fühle mich unendlich getragen von euch.
Nach meiner zweiten Chemotherapie habe ich mich nicht so gut gefühlt, wie nach der ersten. Doch diese Aussage ist beinahe „Chlöne“ (Klagen) auf hohem Niveau. Noch immer spüre ich – ausser Müdigkeit – kaum weiteren Nebenwirkungen. Und dafür bin ich sehr dankbar. Mir ist aufgefallen, dass einer der Gründe, warum ich nicht so fit war, meine mentale Gesundheit war. Ich war unruhiger, etwas nervöser, innerlich irgendwie gehetzt. Entsprechend anstrengend war die Arbeit und mich längere Zeit zu Konzentration fiel mir sehr schwer. Der Grund für diese innere Unruhe war, dass es mir im Vergleich zur ersten Woche nicht so gut gelang, in Verbindung mit mir selber zu bleiben.
Ich spüre, dass hier ein Schlüssel zu meiner Gesundheit liegt. In Verbindung mit mir selber zu sein bedeutet für mich, mich selber zu spüren, im Vertrauen zu sein, dass alles gut kommt. Selbst wenn ich an dieser Krebserkrankung sterben sollte: Alles ist gut. Denn unser Aufenthalt hier auf dieser Erde ist endlich. Wir alle werden sterben. Vielleicht nicht heute, vielleicht nicht morgen. Vielleicht sterben wir an Corona oder an Krebs. Vielleicht gehen wir wegen eines Autounfalls, vielleicht ist es ein Herzinfarkt, vielleicht nehmen wir uns selbst das Leben. Egal wie der Tod kommt, eines Tages kommt er. Und für mich ist das - im Gegensatz zu vielen anderen Menschen - in Ordnung.
Kürzlich wurde ich gefragt, ob ich denn keine Angst vor dem Tod habe. Meine Antwort ist klar. Ich habe etwas Angst vor dem Sterben, da dieser Prozess mit Schmerzen verbunden sein kann. Und davor habe ich Respekt. Doch ich habe definitiv keine Angst vor dem Tod. Für mich ist der Tod der Abschluss einer Ära - aber er ist für mich nichts Endgültiges. Er ist einfach ein Ereignis von vielen auf einer ewigen Reise der Schöpfung. Ich bin überzeugt davon, dass wir hier auf der Erde einfach einen Zwischenstopp einlegen. Ein Zwischenstopp, der gespickt ist mit Erfahrungen und Erlebnissen. Mit schönen und weniger schönen. Was wir am Ende als schön oder unschön betrachten, ist eine Frage unserer eigenen Bewertungen. Ich glaube, wir alle sind hier, um zu leben, zu wachsen, zu erfahren und zu erkennen.
Doch was können wir erkennen? Corona ist für mich einmal mehr ein so passendes Ereignis. Für mich funktioniert „das Spiel“ so wunderbar perfekt, weil mit eben jener Angst gespielt wird, dass wir alle sterben könnten. Wer einen Blick auf die offiziellen Zahlen wirft, wird feststellen, dass in den vergangenen zwei Jahren (in der Altersklasse bis 65 Jahren) gut 330 Menschen an oder mit Corona verstorben sind.
Werfen wir doch einen Blick auf andere Zahlen aus der Schweiz (2019):
An Brustkrebs starben 1414 Frauen und 4 Männer
An infektiösen Krankheiten starben 450 Frauen und 365 Männer
An Lungenkrebs starben 1’387 Frauen und 1’847 Männer
An Herz-Kreislauf-Erkrankungen starben 10’787 Frauen und 9’114 Männer
Die Liste lässt sich fortsetzen…
Insgesamt starben im Jahr 2019 (alle Todesursachen zusammen) 25’024 Frauen und 32’756 Männer.
Menschen sterben. Jedes Jahr. An unterschiedlichen Dingen. Nicht nur an oder mit Corona. Und solange der Tod in unserer Gesellschaft ein Tabuthema bleibt, können Medien, Politik und andere Interessenverbände mit dieser Angst perfekt spielen. Schlagzeile über Schlagzeile übertrumpfen sich, unter anderem mit Mutationen, eine furchterregender und tödlicher als die andere. Abgesehen davon, dass die Sterbezahlen in der Schweiz zwischen 2015 und 2020 nicht dramatisch voneinander abweichen - wie soll unser Leben weitergehen? Wollen wir uns weiter von dieser Angst- und Panikmacherei leiten lassen? Oder wollen wir beginnen, das Unausweichliche anzunehmen? Dem Leben das Schreckensgespenst abnehmen und aus dem Karussell der ewigen Angst vor dem Tod aussteigen?
Wir haben eine Wahl und ich selber weiss wie schwierig es ist, sich Ängsten zu stellen und sie zu überwinden. Ich habe so viele Ängste durchlebt, dass ich sie nicht mehr zählen kann. Nun habe ich mich trotz und gerade wegen Corona und Krebs entschieden, den Tod als Teil meines Lebens anzunehmen. Mag er kommen, wann immer es Zeit ist. Und bis dahin versuche ich in Frieden zu leben - anstatt später - nur in Frieden zu ruhen.
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