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  • AutorenbildRebekka Bachmann

Generation «Y» – ein Spiegel unserer gesellschaftlichen Entwicklung?



Gerade habe ich ein Reel von «Prince» gesehen, als er 2004 am «Rock and Roll Hall of Fame Induction Dinner» ein Gitarrensolo auf der Bühne spielt. Die Musik und seine Fähigkeit hat mich total berührt – und zu diesem Artikel und folgender Frage inspiriert. Und ich formuliere sie etwas provokativ.


Was, wenn die – uns manchmal unangenehm und unbequem erscheinende – «Generation Y» den Spiegel vorhält? Den Spiegel zu unserer äusserst unausgeglichenen Lebensweise? Im Gegensatz zu uns älteren Kaliber, schreibt man ihnen utopische Forderungen zu, Sie hätten hohe Erwartungen und seien dabei nicht bereit, eine entsprechende Gegenleistung zu erbringen, geschweige denn Verantwortung übernehmen zu wollen. Wie frech und rebellisch! Wir hingegen haben noch gelernt, uns über die Arbeit und die damit erbrachte Leistung zu identifizieren. Nur wer leistet, kann etwas erreichen, von nichts kommt nichts… Sicherlich ist diese Aussage nicht komplett falsch, aber das öffnet ein neues Themengebiet.


Also zurück zum Kern: Mein «Götti», heute 92 Jahr alt, vor gut einem Jahr ins Altersheim gezogen, fühlt sich als Individuum nicht mehr nützlich und würde gerne sterben. Denn in seiner körperlichen und geistigen Verfassung kann er ja keine Leistung mehr erbringen. Das sind sein Worte.… Wollen wir das? Uns im Alter unnütz fühlen, nur weil wir körperlich und geistig nicht mehr in der Lage sind, zu leisten? Müssten wir denn noch so viel leisten, nachdem wir 40 Jahre gearbeitet haben? Dürfen wir in diesem Alter nicht endlich den Lebensabend geniessen?


Und woher stammt eigentlich die Annahme, was genau «eine nützliche Leistung» ist? Wenn wir anstatt 32 Stunden 50 Stunden arbeiten? Wenn wir möglichst schon zum 3. Mal kurz und knapp an einem Burnout vorbeigerauscht sind? Wenn wir am Abend todmüde vor der Glotz hängen und auf gar nichts mehr Lust haben? Ich sage nicht, dass es jedem Menschen so geht. Es gibt auch Exemplare, die sich durchaus in der Arbeit ausleben und glücklich sind damit. Die meine ich aber nicht ;-) Die Gesundheitszahlen sprechen eine deutliche Sprache. Burnouts, Stress und Überlastung sind weit verbreitet.


Ist es da nicht auch ein Stück weit verständlich, dass die nachfolgenden Generationen keine Lust auf diese Form von «selbstzerstörerischem Verhalten» haben? Dass sie lieber die Strategie wählen «wir arbeiten um zu leben» anstelle von «wir leben um zu arbeiten»? Ich verstehe das. Ich habe ein Burnout, resp. eine Depression hinter mir. In meine Leben definierte ich mich selbst (und meinen persönlichen Wert) lange Zeit «nur» über Leistung und ausgewiesene Erfolge. Ich kannte keine Hobbys, keine Tätigkeiten ausserhalb meiner Arbeit und brannte ob dieser Einseitigkeit aus. Um aus dem tiefen Loch der totalen Überforderung herauszufinden, tauchte ich tief in meine Überzeugungen ein und fand alsbald einen tief verankerten Satz, der mir mein Vater mit auf den Weg gab: «Wenn du etwas tun möchtest, das dir Spass macht, dann verdienst du kaum Geld. Und wenn du viel Geld verdienen möchtest, bedeutet Arbeit ein Krampf.»


Wenn ich Prince zusehe und die Musik in mich aufsauge, dann spüre ich pure Leidenschaft. Er drückt über seine Musik eine Tiefe aus, eine Sehnsucht, eine tiefe Verbundenheit, die ich früher bei der Arbeit nie empfunden hatte. Denn ich tat die Arbeit des Geldes wegen. Ich lebte also für die Arbeit und jagte einen Erfolg nach dem anderen. Bis mich auch diese Erfolge und das Geld nicht mehr ausfüllten. Und irgendwann kollabierte ich. Und jeder von uns, der auf seine eigene Weise kollabiert, ist ein Vorbild für die nachfolgenden Generationen. Sie sind nicht dumm – sie stehen einfach gut für sich selbst und ihre Bedürfnisse ein. Das tun sie deutlich besser als wir. Oftmals fehlt uns der Mut, uns hinzustellen, Grenzen zu setzen und Forderungen zu stellen. Die jungen Generationen tun dies deutlicher. Sie äussern ihre Bedingungen. Und das stösst uns vor den Kopf. Es entsteht einen Wertekonflikt. Dieser Konflikt ist real. Und ja, die Frage stellt sich berechtigt, in welcher Form diese Haltung unsere gesamte Ökonomie langfristig beeinflussen wird.


Es braucht eine Lösung dafür. Wir können die Haltung der Jungen nur nicht einfach noch länger unter den Teppich kehren. Wir sollten ihre Haltung anerkennen und die gesamte Dynamik für Lösungen nutzen anstatt die Hände in die Luft zu werfen. Führung aus der Zukunft – einer meiner Ansätze für ganz konkrete Fragestellungen.


Und gleichzeitig gibt es Fragen, die sich jeder einzelne von uns stellen kann. Nämlich, wie wir auf individueller Ebene wieder mehr Ausgeglichenheit erfahren können. Anstatt dass wir uns jeden Montagmorgen ins Büro schleppen, uns abrackern und dabei schon wieder aufs Wochenende warten. Ich kenne viele, die Tag für Tag eine unerfüllte Routine hinnehmen und dabei die Energie für erfüllende Tätigkeiten verlieren. Wann hast du dir das letzte Mal bewusst für dich selbst Zeit genommen? Wann hast du voller Inbrunst gesungen? Unter der Dusche, im Auto oder im Wohnzimmer? Wann hast dich als Superstar gefühlt, dein Publikum vor deinem geistigen Auge gesehen, wie es dir zujubelt? Wann hat du dir mit deiner Fantasie das letzte Mal etwas ausgemalt? Apropos gemalt; wann hast du zum letzten Mal die Leinwand hervorgeholt und dein ganz persönliches Kunstwerk erschaffen? Wann hast du das Gedicht geschrieben, das dir schon so lange im Kopf herumspukt? Wann hast du dich zum letzten Mal über irgendeine Kunstform ausgedrückt? Schon lange her? Weshalb? Weil du keine Lust hast nach dem harten Arbeitstag? Vielleicht. Vielleicht kommt hinzu, dass auch du deine musische Ader schon wieder mit Leistung verknüpfst. Mir geht es jedenfalls so. Wenn ich ein Bild male, sollte das Resultat schon in Picasso-Manier sein. Oder ein Gedicht sollte mindestens Goethe-Qualität haben. Wir sind so schnell im verurteilen unserem künstlerischen Tun, dass wir lieber erst gar nicht beginnen.


Und möglicherweise hast du als Kind auch gelernt, dass Kunst nur einen marginalen Wert erzeugt. Erst wenn du einen grossen Namen hast, verdienst du damit Geld. Doch Kunst ist ein Ausdruck deines wahren Wesens, deiner Freude oder auch deiner Trauer, deiner Wut – ein Ausdruck deiner aktuellen Stimmung, die es in keiner Form zu bewerten gilt. Es geht nicht in erster Linie darum, Geld damit zu verdienen. Kunst ist ein Ventil, eine Möglichkeit, aufzutanken. Dich selbst neu zu erfahren. Sie ist eine Chance, Abstand zu deiner Routine zu finden, neue Gedanken und Ideen zu entwickeln. Wenn wir musisch tätig sind, dann sind wir in unserer wahren Essenz. Dort sind wir einfach. Ohne Rollen, ohne Erwartungen von aussen.


Das führt zu mehr Ausgeglichenheit und kann einen grossen Einfluss haben auf unsere innere Zufriedenheit. Wenn wir wieder lernen zu tanzen wie Kinder, die schrägsten Töne erklingen lassen, bunte Bilder malen, skurrile Gedichte schreiben und das einfach nur, weil es uns gut tut, dann verändert sich etwas. Wenn wir wieder mehr aus purer Freude tun, weil wir gerade Lust darauf haben, dann können wir auch wieder leisten, wenn am Montagmorgen der Wecker erneut klingelt. Dann sind wir wieder ausgeglichener und sind eine gesündere Art von Vorbild. Weil wir nicht wie ein Zombie aussehen, das nach einem nicht erholsamen Wochenende zur Arbeit kommt und schon am Montag wieder nach Freitag schreit.


Wir sind, ob wir wollen oder nicht, Vorbilder für die neuen Generationen. Ob wir selbst Kinder haben oder nicht. Welchen Eindruck sollen die nachkommenden Generationen, unsere kommenden Fachkräfte oder auch Führungskräfte, von uns haben? Wir entscheiden.

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